GEOPHYSIKALISCHE VORERKUNDUNG BEI DER KARSTPROBLEMATIK

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Vorbemerkung

In einigen Regionen Deutschlands kommt es zu ausgeprägten Verkarstungserscheinungen wie Hohlräume, Erdfälle und Dolinen. Die Verkarstung beruht auf der Lösung und Auslaugung von Gestein durch Wasser. Das Wasser transportiert das Material ab. Zurück bleiben Massendefizite in Form von Hohlräumen und Senkungen, die bei baulicher Nutzung eine Gefährdung darstellen können. Die Baugrunderkundung in karstgefährdeten Gebieten gestaltet sich schwierig, da sich Verkarstung nicht unbedingt an der Oberfläche abzeichnet. Hier kann durch eine geophysikalische Vorerkundung eine Übersicht über die Verhältnisse im Untergrund erzielt werden. I.a. reicht jedoch das Auflösungsvermögen der Geophysik nicht aus, Details zu liefern (Ausnahme u.U. Georadar). Der Einsatz der direkten Verfahren (Bohrungen, Schürfe) kann jedoch durch die Vorerkundung gezielter erfolgen.

Geophysikalische Vorerkundungsverfahren

Erfahrungsgemäß haben sich einige Verfahren für die Karsterkundung im Rahmen der Baugrunderkundung bewährt. Dies ist vor allem die Geoelelektrik/Elektromagnetik. Daneben sind auch die Seismik sowie die Gravimetrie im Einsatz. Diese Methoden haben den Vorteil, dass ein Gebiet in seiner Gesamtheit erfassbar ist. Das präzisere Georadar kann häufig erst in einer späteren Erkundungsstufe eingesetzt werden.
Geoelektrik und Elektromagnetik basieren auf der Materialeigenschaft ‚spez. elektr. Widerstand‘ und reagieren deshalb gut auf Verkarstung. Ein lufterfüllter Hohlraum wirkt als Isolator und führt deshalb zu einer hochohmigen Anomalie. Ein bindig (leitfähig) verfüllter Hohlraum oder Erdfall bedeutet dagegen eine niederohmige Anomalie. Daneben spiegelt sich in den Daten auch die weitere Untergrundsituation (z.B. Deckschicht, Verwitterungszone, Fels) wider. Zwei Verfahrensvarianten haben sich in der Praxis als praktikabel erwiesen: die linienhafte 2D-Widerstandstomografie und die flächige Widerstandskartierung. Je nach Variante ist die Darstellung von mehr oder weniger großen Grobstrukturen zu erwarten. Bei der ersten Variante erhält man einen Widerstandstiefenschnitt entlang der Messlinie, wie dies in mehreren folgenden Abbildungen dargestellt ist. Sie ist vorteilhaft für lineare Bauwerke (z.B. Pipelinetrassen, Straßentrassen, Tunnel), kann aber auch in der Fläche (parallele Messlinien) eingesetzt werden (3D-Widerstandstomografie).
Die Widerstandskartierung dient der flächigen Erkundung, indem die Messfläche in engem Raster und mit einer vorbestimmten Eindringtiefe abgescannt wird. Sehr ökonomisch lässt sich dies mit der Elektromagnetik durchführen. Das Resultat ist eine Karte des scheinbaren spez. Widerstandes. Es handelt sich dabei um integrale Werte ab der Oberfläche bis in die vorgegebene Tiefe. Mit dieser Karte können die lateralen Veränderungen im Untergrund in der Fläche beurteilt und kritische Stellen zur näheren Erkundung ausgewiesen werden.

Die Refraktionsseismik dient v.a. der Bestimmung der Felslinie auf Basis der Festigkeitseigenschaft ‚elastische Wellengeschwindigkeit‘. Der Verlauf der Felslinie ist ein guter Indikator für Erdfälle und tiefgründige Verwitterung, die einen darunterliegenden Hohlraum zur Folge haben könnte. Unterhalb der Felslinie befindliche Hohlräume sind nicht direkt zu detektieren. Allerdings können bis an die Felsoberfläche verlaufende offene Spalten die Ausbreitung der Wellen behindern und dadurch teilweise erkennbar werden.

Mittels Crosshole-Seismik betrachtet man die Laufzeiten von elastischen Wellen zwischen zwei benachbarten Bohrungen. Im Falle eines Hohlraumes ergibt sich ein Umweg der Welle und damit eine Laufzeitverlängerung. Ebenso ergeben Auflockerungen im Fels Laufzeitverlängerungen. Das Verfahren ist für die lokale Karsterkundung gut geeignet.

Die Gravimetrie basiert auf der Massenanziehungskraft und ist damit ein auf vorhandene Massendefizite (z.B. Hohlräume und Dichtevariationen) direkt ansprechendes Verfahren. Die Gravimetrie ist ein eher aufwendiges Verfahren (langsame Messung, umfangreiche Datenkorrekturen), dessen Empfindlichkeit mit der Tiefe schnell abnimmt, so dass der Einsatz seltener stattfindet.

Das Georadar hat das höchste Auflösungsvermögen der genannten Verfahren. Allerdings absorbieren häufig bindige Deckschichten das Signal und beschränken damit die Eindringtiefe stark. Fehlt diese bindige Deckschicht oder ist sie abgeräumt (Baugrube), kann dieses Verfahren gute Ergebnisse liefern.

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Fall A – Pipeline Trasse

Aufgabe

Karsterkundung entlang einer Pipeline-Trasse

Messprogramm

  • 2D-Widerstandstomografie

Vorgehensweise/Ergebnisse

Die karstgefährdeten Trassenabschnitte wurden durchgehend erkundet und nach auffälligen Stellen durchsucht. In den beiden unten gezeigten Abschnitten ist eine bindige Deckschicht über Fels vorhanden (blau). Es sind drei Anomalien in Form von lokalen tiefgründigen Widerstandserniedrigungen zu sehen (Pfeile). Es könnte sich um bindig verfüllte Erdfälle bzw. Dolinen handeln. Hier sind nähere Erkundungen angezeigt. Im Abschnitt B2 ist die linke Anomalie mit einem Wechsel des Erscheinungsbildes des Felsens verbunden.

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Fall B – Tunnelbauprojekt

Aufgabe

Karsterkundung bei einem Tunnelbauprojekt

Messprogramm

  • 2D-Widerstandstomografie

Vorgehensweise/Ergebnisse

Um möglichst aussagekräftige Ergebnisse erzielen zu können, wurden die Messungen mit einer gut auflösenden Wenner-Schlumberger-Anordnung, engen Elektrodenabständen und optimalen Messzeitparametern durchgeführt. Die Abbildung B-WT zeigt den nach der Inversion erhaltenen Tiefenschnitt mit eingezeichneter Tunneltrasse. Die Erkundungsstrecke reicht links von einem verfüllten Steinbruch (Sk = Steinbruchkante) bis rechts in ein Tal.
Entlang der Messstrecke treten oberflächennah vielfach lokale Stellen erniedrigten Widerstandes (x) auf. Sie kommen vermutlich durch mehr oder weniger tiefgründige Verwitterungsbereiche zustande. Die Pfeile markieren weiter in der Tiefe befindliche Anomalien, wovon die beiden größeren Pfeile die bedeutsameren Auffälligkeiten anzeigen. Gleichzeitig gliedern die Pfeile Abschnitte, in denen die Felsoberkante (horizontale Striche) auf unterschiedlichem Niveau liegt. Hier deuten sich geologische Störungen an. Die besonders auffälligen Bereiche sind schraffiert. Die deutlichste karstverdächtige Anomalie liegt nahe am Hang.



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Fall C – Tunnelportal

Aufgabe

Durch karstgefährdetes Gebirge soll ein neuer Tunnel verlaufen. Im Bereich des künftigen Portals sollten erste flächige Vorerkundungen Angaben zur Untergrundsituation und insbesondere zum Verlauf der Felslinie liefern.

Messprogramm

  • flächendeckende Widerstandskartierung
  • linienhafte 2D-Widerstandstomografie
  • linienhafte refraktionsseismische Tomografie

Vorgehensweise/Ergebnisse

Um eine Übersicht über die lateralen Verhältnisse zu erhalten, wurde zunächst eine flächige Widerstandskartierung mit der Elektromagnetik durchgeführt. Messraster und Eindringtiefe betrugen jeweils 10 m. Die Abbildung C-K zeigt das Messergebnis als Widerstandskarte, woraus die geologische Gliederung der Fläche gut erkennbar ist. Die hochohmigen Bereiche (rot) werden durch geringe und die niederohmigen (grün bis blau) durch große Felstiefe verursacht. 

Im zweiten Schritt sind Messungen entlang mehrerer Linien zur näheren Erkundung mittels 2D-Widerstandstomografie und Refraktionstomografie erfolgt. Die Abbildung C-WT/RT zeigt die zugehörigen Ergebnisse. Die 2DWiderstandstomografie bestätigt die Annahme aus der Widerstandskartierung bezüglich der Felstiefe. Sie zeigt weiterhin an, dass etwa in Mitte der Messlinie eine tiefgründig verwitterte Zone vorkommt. Die Refraktionstomografie löst hier die hangende Deckschicht mit niedriger Wellengeschwindigkeit und den verwitterten Fels besser auf. Die Seismik gibt die Tiefe des festen Felsens an. Die Zone tiefer Felslage und tiefgründiger Verwitterung birgt eine erhöhte Gefahr von Verkarstung und ist deshalb Ziel für direkte Erkundungsverfahren (Bohrungen).



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Fall D – Gewerbegebiet

Aufgabe

Gesucht wurde ein geeignetes Bauareal für eine größere Gewerbebaumaßnahme. Nahe der hier untersuchten Fläche sind karstverdächtige Erscheinungen aufgefunden worden. Deswegen sollte eine flächendeckende Vorerkundung durchgeführt werden, um einen Überblick über die Untergrundverhältnisse zu erhalten.

Messprogramm

  • flächige Quasi-3D-Widerstandstomografie

Vorgehensweise/Ergebnisse

Um den Untergrund des potentiellen Baugebietes möglichst dreidimensional zu erfassen, wurde das Messgebiet flächendeckend mit parallelen Messungen der 2D-Widerstandstomografie erkundet. Wegen des geringen Messlinienabstandes konnte eine 3D-Inversion der Daten erfolgen. Hierbei werden bei der Rechnung nicht nur die Werte innerhalb einer sondern auch die der benachbarten Messlinien berücksichtigt. Der Messlinien- und der Messpunktabstand auf der Messlinie sind dabei ein Kompromiss zwischen Auflösungsvermögen und Kosten in Hinsicht auf eine wirtschaftliche Vorgehensweise. Als Ergebnis der flächigen Erkundung liegen nicht nur die vertikalen Tiefenschnitte (siehe vorherige 2D-Fälle) sondern auch Horizontalschnitte für diverse Tiefen vor. Eine Reihe dieser Horizontalschnitte ist in nebenstehender Abbildung dargestellt. Die niedrigen Widerstandswerte (blau) stehen für bindige Bodenbestandteile, d.h. für hohen Verwitterungsgrad. Umgekehrt bedeuten hohe Werte (rot) festen Fels und die dazwischen liegenden Werte (grün) verwittertes Gestein. Die Karten zeigen damit sehr deutlich die räumliche Situation im Untergrund und eine erste Beurteilung auf geeigneten Baugrund ist möglich. Mithilfe dieser Ergebnisse lässt sich ein gezieltes Bohrprogramm zur näheren punktuellen Baugrunderkundung bzw. Kalibrierung der Geoelektrik erstellen. Vorzugsweise sind in Hinsicht auf Verkarstung lokale Stellen mit auffällig niedrigen Werten (evtl. verfüllte Dolinen/Erdfälle) sowie Zonen geologischer Störungen (links in der Abbildung zwischen x = 70 m und = 90 m) direkt zu erkunden. Bei Stellen mit auffällig hohen Werten ist der Verdacht auf einen (unverfüllten) Hohlraum unsicherer, da auch Felshochlagen ähnliche Anomalien bewirken.


Bemerkung zur 3D-Widerstandstomografie

Die Quasi-3D-Tomografie (Dahlin und Loke, 1997) beruht auf der Messung entlang einer einzigen Messlinien- und damit Stromrichtung (eine von 3 Raumrichtungen x, y, z). Die Begründung für eine zweite Richtung liegt darin, dass die orthogonale Anordnung bei besonderen geologischen Situationen (z.B. Störung) und Anisotropie andere Stromstärken und damit andere Widerstände ergeben kann. Um aus Kostengründen eine zweite Messrichtung zu vermeiden, wird die Richtung der Messlinien bei der Quasi-3D-Tomografie möglichst zielgerecht gemäß Kenntnisstand eingestellt.




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